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Comic-Besprechung - Die Legende des weißen Lama — Band 2: Die schönste Illusion

Geschichten:

Die Legende des weißen Lama — Band 2: Die schönste Illusion

Autor: Alejandro Jodorowsky

Zeichner: George Bess

Übersetzer: Marcel le Comte



Story:

Nachdem der göttliche Geist, der in Gabriel Marpa, dem „Weißen Lama”, reinkarniert war, wiederum auf die beiden Kinder Ni-Eh und Tan-jr der vor der chinesischen Invasion geflohenen Nonnen Dungri und Jetsun übergegangen war, wachsen die beiden Kinder bei den Yetis auf und werden von Gabriels alten Weggefährten darauf vorbereitet, Tibet vor dem drohenden Unheil zu retten. Denn die Invasoren aus China haben bereits die Grenzen überschritten und wüten im Land, während heimlich eine Gruppe von Altnazis um den geflohenen Führer selbst noch ihr ganz eigenes Unwesen treibt.



Meinung:

Nach der eher mystischen Geschichte des ersten Zyklus, den Splitter in einem Sammelband herausgegeben hat, nähert sich Jodorowsky in diesem zweiten und abschließenden Zyklus etwas mehr den tatsächlichen Ereignissen in den 30er bis 50er-Jahren in Tibet an. Nachdem Tibet traditionell bereits seit Jahrhunderten relativ eng mit China verbunden war, und schließlich seit 1720 komplett in Chinas Hand war, erklärte der Dalai Lama 1913 einen unabhängigen Gottesstaat, was aufgrund der internen Bürgerkriege in China eine Weile geduldet wurde, bis die siegreichen Kommunisten, die seit 1949 an der Macht waren, dem ein Ende bereiten wollten. Es kam zu einer erneuten Invasion, die sehr blutig verlief und im Jahr 1959 zu Aufständen in der Bevölkerung Tibets führte. Und genau hierauf nimmt Jodorowsky Bezug mit der Weissagung des Lamas auf ein bevorstehendes wichtiges Ereignis, auf dass sich dann auch die letzten Inkarnationen des göttlichen Geistes vorbereiten sollen. Auch der in diesem Band auftretende 14. Dalai Lama ist eine historische Figur, der während des Aufstand unter denselben Bedingungen wie im Buch aus Tibet floh, und nach erneuten Unruhen im Jahr 2008 in Tibet dann im Jahr 2011 als Staatsoberhaupt zurücktrat, um nur noch religiöses Oberhaupt zu sein. Auch die Suche nach der „echten” Inkarnation des Pantschen Lama, des zweithöchsten Geistlichen, aus der im ersten Zyklus der Weiße Lama hervorging, hat sein Pendant im wahren Leben, diese Geschichte ereignete sich im Jahr 1995, als die Chinesen den Tibetern einen anderen Jungen aufzwangen als den von den Tibetern gefundenen. Manche Dinge kann man sich wohl kaum besser ausdenken, so verrückt ist die Welt.

Die erzählerische Exkursion hin zu den geflüchteten Nazis mit ihren mysteriösen Experimenten und die Einbindung derselben in die Handlung ist allerdings wieder ein Punkt, bei dem Jodorowsky doch stark die Bindung zur Realität zu verlieren scheint — und das, wo die Geschichte sich gerade mehr historischen Ereignissen anzunähern begann. Die bisher gezeigten Szenen sind eher von einer geschmacklosen und effekthascherischen Aura umgeben, und man fragt sich wohl zu Recht, was das eigentlich soll?

Den roten Faden über all diese Ereignisse hinweg bilden im Grunde die vier Weggefährten unseres Weißen Lama: sein ehemaliger Leibwächter Tsu, der Lehrmeister Dondrup, der ehemalige Novize Topden und der Dieb Tsöndu, die allesamt auf magische Weise wenig altern, sich um die Erledigung wichtiger Aufträge kümmern und irgendwie die Truppe zusammenhalten, könnte man sagen. Und zum Glück ist auch die sprechende und gottgleiche Katze Lin-Fa nicht mehr dabei, die mich mit ihrer permanenten Jagd auf Mäuse eher irritiert hatte.

Die Zeichnungen von George Bess sind jedoch wieder grandios und über jede Kritik erhaben. Die durchweg realistischen Zeichnungen sind in ihrer Fantastik kraftvoll, detailreich und weisen interessante und vielfältige Perspektivwechsel auf, die das Lesen spannend machen. Sie erinnern mich ein bisschen an eine Mischung aus dem (realistischen Teil von) Moebius einerseits und Daniel Hulet andererseits, besonders an dessen „Etat Morbide”. Dabei passen die oftmals über ein ganzes Panel verlaufenden, eher etwas psychedelisch den realistisch anmutenden Kolorierungen zum Stil des ersten Zyklus aus den Achtzigern.



Fazit:

Insgesamt ein etwas durchwachsener Band, mit weiterhin sehr guten Zeichnungen, aber einer Story, die zuerst Richtung historischer Ereignisse wandert, um dann zwischendurch in Nazi-Verschwörungen abzudriften, was irgendwie etwas zu schräg ist. Wer den zweiten Zyklus begonnen hat, wird aber sicherlich wissen wollen, wie es für die Figuren im Einzelnen ausgeht. Dann sollte man hier mal hineinschauen, auch wegen der sehr guten Zeichnungen von George Bess.



Die Legende des weißen Lama — Band 2: Die schönste Illusion - Klickt hier für die große Abbildung zur Rezension

Die Legende des weißen Lama — Band 2: Die schönste Illusion

Autor der Besprechung:
Uwe Roth

Verlag:
Splitter Verlag

Preis:
€ 17,00

ISBN 10:
3958392547

ISBN 13:
978-3958392540

48 Seiten

Bewertungen unserer Redaktion und unserer Leser

Positiv aufgefallen
  • Weiterhin sehr gute Zeichnungen.
  • Die Geschichte nähert sich an historische Begebenheiten an.
Negativ aufgefallen
  • Der Nazi-Plot ist etwas „too much”.
Die Bewertung unserer Leser für diesen Comic
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Rezension vom: 12.02.2024
Kategorie: Alben
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